Baumhäuser, Analphabete, Drilligen und volksnahen Bischöfen.
Liebe Freunde und Unterstützer unserer Projekte in Tansania!
Ich sitze nach fast fünf Wochen Tansania auf der Hotelterrasse in Dar es Salaam und warte auf meinen Rückflug nach München. Fünf Wochen, die mich wieder emotional belastet haben. Es fällt mir so
schwer, Nein sagen zu müssen. Ich muss einfach lernen, dass wir nicht ganz Afrika helfen können, nicht ganz Tansania und nicht einmal ganz Kilimahewa. Aber das, was wir tun, soll nachhaltig sein
und Hilfe zur Selbsthilfe, unsere Projekte sollen uns überdauern.
Zum ersten Mal kam ich als vom Erzbischof bestellter Nachfolger von Bruder Markus nach Kilimahewa. Die Verantwortlichen und die Bevölkerung haben mich sehr freudig begrüßt (An den ersten drei Tagen schon 35 Bettelbriefe um Hilfe). Ich versuchte allen klar zu machen, dass ich kein Mönch bin, sondern eine Stiftung vertrete, die das Leben verbessern will durch Investitionen in Wasserversorgung, Bildung und Medizin. Die letzten 20 Jahre wurde Kilimahewa durch Spenden immer weiter aufgebaut, sprichwörtlich, wenn Geld da war, wurde gebaut. Niemand hat sich Gedanken gemacht wie die Folgekosten getragen werden, wenn die Spenden einmal nachlassen. So ist Kilimahewa auf einen jährlichen Verlust von 100.000 Euro angewachsen, oder freundlicher ausgedrückt, Spendenbedarf.
Erzbischof Thaddeus hat das schriftlich in seiner Ernennung zum „Supervisor and financial agent of his Excellence Archbishop Ruwaichi“, so ausgedrückt: „Ich gebe dir alle Macht lieber Franz, nur
Geld kann ich dir keins geben!“. Also gut, mit fast 50 Jahren Erfahrung im Geschäftsleben sollte es möglich sein ab jetzt mehr wirtschaftlich zu denken. Aber zuerst kamen an meinem ersten
Wochenende die Honoratioren nach Kilimahewa um die Amtsübergabe von den Benediktinern an die Diözese Dar es Salaam gebührend zu begehen. Erzbischof Thaddaeus, Bischof Henry Mchamungu, Abt
Christian Temu von Ndanda, Pfarrer Tito und Pater Helmut Bochnik von der Abtei Königsmünster (mit dem alles begonnen hat und über dessen Besuch alle total glücklich waren) waren mit zehn weiteren
Priestern zum Festgottesdienst gekommen. Soviel Geistlichkeit hatte Kilimahewa nie zuvor gesehen. Drei Stunden dauerte der Gottesdienst, bis dann der neue Kindergarten, die neue Schreinerei und
das renovierte Hospital gesegnet wurden.
Mit dabei neben Pater Helmut auch Sigrid und Tilman Ott, beide Kilimahewa Urgestein, Heidi Lachner die Straubinger Apothekerin und große Förderin, Renate Dübell und ihr Mann Bernhard, die unsere Pöschl Familienstiftung managt und natürlich meine Frau Mareen. Dann ging es ans Arbeiten. Wir brauchen neben Kostensenkung vor allem neue Einnahmequellen um in fünf Jahren unabhängig von Spenden zu werden, Als erstes muss die neue Schreinerei, ausgestattet mit modernsten Maschinen von Felder in Österreich durch die Walter Winkler Stiftung, anfangen in Serie zu produzieren und die Geschwindigkeit der Maschinen auszunützen. „Heute machen wir fünf Stühle und morgen einen Schrank und übermorgen einen Tisch“ das muss genauso vorbei sein wie das Erscheinen der Schreiner zwischen Acht und auch mal Zehn Uhr. Dicke Bretter zu bohren, weil dieser Druck für sie völlig neu ist, aber das wird schon!
Wir beschließen ein kleines Shoppingcenter an der vielbefahrenen Strasse zu bauen. Mit einem Showroom für unsere Schreinerei Produkte, einem Laden für unsere Schneiderschule und einem kleinen
Supermarkt. Dazu kommt die dringend notwendige Sanierung des alten Kindergartens. Der Neue ist wunderschön aber für die 105 Kinder in zwei Gruppen zu klein, wir brauchen den Alten für eine dritte
Gruppe. Die Toiletten sind baufällig und haben keinen Wasseranschluss und in der Küche kommt der Rauch aus dem offenen Kamin statt nach oben abzuziehen. Unsere Näherinnen Schule mit fünf Mädchen
soll eine neue Heimat in einer Halle neben dem Kindergarten bekommen, die wir renovieren. Und dann gibt es für nächstes Jahr den Plan, unser Krankenhaus eine öffentliche Apotheke anzubauen, um
damit Einnahmen zu generieren.
Kisegese
blüht auf und wächst weiter.
Unser zweitgrößtes Engagement in Kisegese ist eine reine Freude. Die Bevölkerung ist unheimlich dankbar für alle Investitionen. Vor fünf Jahren hatte das Dorf nichts außer 3.000 Einwohnern.
Unsere Future for Children konnte mit großen Spenden der Pöschl Familienstiftung, von Heidi Lachner und den Geschwistern Niedermayer und Walter Kohlbauer vier Klassenzimmer mit Lehrer Büros, zwei
Lehrerwohnhäuser, Schultoiletten, einen Kindergarten, ein kleines Krankenhaus mit Geburtsstation bauen. Schon bald entstanden durch die Dorfbewohner ein kleines Wirtshaus, ein Supermarkt und eine
Busverbindung nach Mkuranga. Jetzt ist der größte Wunsch ein Operationssaal, da es inzwischen jeden Tag zu einer Geburt im Hospital kommt und Kaiserschnitte dringend erforderlich wären.
Und jetzt kommt es zu einer ganz neuen Zusammenarbeit zwischen der Regierung und uns. Ich fahre einfach in die Bezirkshauptstadt Mkuranga und erstarre fast vor Ehrfurcht vor den Schildern am Regierungsgebäude: „The United Republic of Tanzania, President's Office, Regional and Local Government“ steht da. Ich muss zum „District Executive Director Mkuranga District Council", der sich als eine junge Frau Grace entpuppt, sehr zuvorkommend und engagiert, genauso wie ihre Kollegin Dr. Flora, die District Medical Officer ist. Ich bin gekommen, um einen Deal auszuhandeln. Wir sind bereit den OP zu bauen, wenn die Regierung die gesamte Ausstattung übernimmt und die Ärzte stellt. Grace überlegt nicht lange. Wenn wir uns entschließen könnten, auch noch das im Rohbau fertige Prüfungsgebäude für alle Schulen mit 20.000 Euro fertigzustellen, würden wir schriftlich den Deal in Kisegese von der Regierung bestätigt bekommen. Wow, das hab ich hier noch nicht erlebt . Wir schlagen ein und drei Tage später kommt Grace mit all ihren Abteilungsleitern zum Essen nach Kisegese und übergibt den unterschriebenen Brief. Beim Essen handeln wir noch aus, dass wir 10.000 Euro Zuschuss zum Strassenbau nach Kisegese leisten, wenn die Regierung ihn auf dieses Jahr vorzieht.
3.000
Kilometer die sich lohnen: Freude in unserem Waisenhaus.
Dann
geht es auf die lange Reise nach Njombe zum Malawi See. Auf 2.300 m Höhe liegt die Abtei Imiliwaha mit 440 Benediktiner Schwestern die auch unser Waisenhaus betreuen. Waren wir bei unserem ersten
Besuch vor zwei Jahren noch erschüttert über den Zustand der Kinder, des Personals und der Gebäude, sind wir jetzt hellauf begeistert: Die Generaloberin Nivardina hat Wort gehalten. Mit unserem
Geld wurde die komplette Mannschaft ausgetauscht und die Gebäude renoviert. Die neuen Betreuerinnen sind examinierte Lehrerinnen oder Krankenschwestern und lieben die Kinder ganz offensichtlich.
Die Kleinen strahlen und sind glücklich. Mir kommen allerdings die Tränen als so ein zweijähriger Knirps zu mir auf den Schoss klettert und Baba, Baba sagt. Nein, sein Vater bin ich nicht, den er
schmerzlich vermisst. Nirgends ist unser Geld besser investiert als in unserem Waisenhaus in Imiliwaha, das jetzt auf fast 30 Kinder angewachsen ist, weil die Regierung ein privates Waisenhaus
geschlossen hat, wo die Babies verkauft wurden.
Der nächste Besuch geht nach Bagamoyo zur Kiharakaschule wo wir ein weiteres Klassengebäude finanzieren. Jetzt zum letzten Mal, denn die Schule hat jetzt 500 Kinder und kann sich durch das Schulgeld der Eltern künftig selbst finanzieren.
Dafür erreicht uns ein Hilferuf aus dem Urwald zwischen Morogoro und Arusha. Wir sollen helfen, eine Schule dort zu bauen. Einen ersten Versuch gebe es aber das Geld sei ausgegangen. Wir fahren viereinhalb Stunden mit dem Jeep durch endlose Wälder und kommen auf einer Lichtung an, wo ein Klassenzimmer aus Bambusstäben steht. Hier ist doch kein Dorf, wieso hier eine Schule? „Headteacher“ Modestus nimmt mich ein paar hundert Meter in den Urwald mit. Plötzlich einfache Baumhäuser, unten wird gegessen, ober geschlafen. Die Eltern sind alle Analphabeten, züchten Rinder und leben wie die Massai als Hirtenvolk aber in den Wäldern. Geschäftsleute aus Dar es Salaam haben ein erstes „Schulgebäude“ gespendet, aber dann ist das Geld ausgegangen. 130 Schüler der ersten Klasse sitzen im Rohbau auf Baumstämmen. Sie sind zum Teil schon 13 Jahre alt, aber unheimlich lernbegierig. „Sie kommen jeden Morgen aus bis zu zehn Kilometern Entfernung aus dem Wald“ berichtet Modestus. Jetzt müssen sie eine Klasse vorrücken, aber es gibt kein Klassenzimmer. Die Lehrer sind entweder pensionierte Lehrer die aus Liebe zu den Kindern hier unterrichten oder wie Modestus ein Junglehrer, der kurz nach seinem Examen hier Erfahrungen sammelt, bevor er in den Staatsdienst geht. Bezahlt wird hier niemand. Das berührt uns sehr und wir beschließen, hier eine Schule zu bauen.
Die
Ärmsten in der Sechs Millionen Stadt.
Immer wenn ich in Dar bin, lädt mich mein Freund Bischof Henry Mchamungu zu sich auf ein kaltes Kilimandscharo Bier ein. Er trinkt Serengeti, aber warm. In Bayern würde er erschossen, wenn er
warmes Bier serviert, erkläre ich ihm. Diese Besuche kosten immer Geld. Jetzt schickt er mich zu Schwester Clara vom Orden der Heiligen Rita. Drei von ihnen haben eine Schule für behinderte
Kinder in Dar gegründet, Gebäude von der Diözese bekommen. Die Schwestern haben außer dem spärlichen Schulgeld der Eltern keinerlei Einkommen, die Kinder hungern oft und auch die Schwestern haben
am Abend nichts zu essen. Dann kommen sie zu Henry und bitten um Reis. Mein Tag mit den behinderten Kindern treibt mir wieder die Tränen in die Augen. Sie hängen apathisch im Rollstuhl, können
den Lutscher nicht selbst nehmen, werden von den Schwestern massiert und so weit es geht unterrichtet. Draußen in den Dörfern werden sie noch immer umgebracht, wenn ihre Behinderung erkannt wird.
Ab jetzt zahlt unsere Future for Children jeden Monat das Essen für die Kinder und die Schwestern, eine Million Schilling, das sind 350 Euro.
Nach Besuchen bei Bischof Henry, Kanzler Vincent und Generaloberin Doreen geht es „nach Hause“ nach Kilimahewa. Auf der Rückfahrt nach Kilimahewa stoppen wir in unserem Hospital in Bupu, wo wir
weitere 20.000 Euro für den Ausbau genehmigen. In Mkenge haben wir eine staatliche Grundschule renoviert, die einsturzgefährdet war.
Im Thomashaus, unserem Headquarter, erwarten mich viele Bittbriefe und auch die Monatsergebnisse all unserer Betriebe. Die St Gertrud Schule glänzt mit weiteren Gewinnen durch die Schulgelder.
Sie ist längst in die Unabhängigkeit entlassen und braucht keine Hilfe mehr.
Ehrlich gesagt geht mir jetzt nach vier Wochen Not und Elend auch die Kraft aus und ich freue mich auf meine Frau, Kinder und Enkelkinder zuhause. Ein Sommer mit der Familie ist wunderschön. Dann sind die Batterien wieder voll und es geht im Oktober wieder nach Kilimahewa. Euch allen liebe Freunde und Förderer kann ich nur ein herzliches Vergelts Gott für eure so großzügige Hilfe sagen. Mit euch können wir Leben retten und Leben verbessern, sodass niemand nach Europas flüchten will und muss.
ASANTE SANA!
Euer Franz Hirtreiter sen.